Mit dem Abschluss des Bauträgervertrags verpflichtet sich der Bauträger gegenüber dem Erwerber zur Übereignung eines Grundstücks, auf welchem er ein Bauwerk errichtet hat. Das gilt auch für eine vom Bauträger zu übertragende Eigentumswohnung. Auch wenn die Verträge zum Erwerb von Eigen-tumswohnungen fast immer mit Kaufvertrag überschrieben sind, handelt es sich im Kern um Werkver-träge, auf welche auch die werkvertraglichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden sind. Während beim Kaufvertrag die Übergabe und Verschaffung des Eigentums genügt, um die Pflichten des Verkäufers zu erfüllen, kommt beim Bauträgervertrag Bauverpflichtung hinzu. Die Do-kumentation der Erfüllung der Bauverpflichtung erfolgt durch die sog. Abnahme.
Die Abnahme ist die körperliche Übernahme des Werks durch den Erwerber mit der Erklärung, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt ist. Der Bauträger hat gegen den Erwerber einen Anspruch auf Abnahme, wenn das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt ist. Unwesentliche Mängel hindern den Anspruch des Bauträgers auf Abnahme nicht. Mit der Abnahme sind weitreichende Folgen verbunden, u.a. geht die Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln auf den Erwerber über und die Verjährung der Mängelansprüche beginnt. Ab der Abnahme haftet auch der Erwerber für Beschädigung oder Zerstörung des Werks.
Insbesondere bei der Errichtung von Wohnungseigentumsanlagen ist die Abnahme jedoch besonders problematisch, weil die dem Wohnungseigentumsrecht zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Sondereigentum (Wohnung des Erwerbers) und Gemeinschaftseigentum (Gemeinschaftsflächen und sämtliche gemeinschaftlich genutzte Teile des Gebäudes, wie z.B. Außenhülle, abdichtungs- und sta-tisch-relevante Bauteile) zu beachten ist. Der Bauträger hat zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Bauträgervertrag sowohl das Sondereigentum, als auch das Gemeinschaftseigentum mangelfrei herzustellen. Hinsichtlich der Herstellung des Gemeinschaftseigentums hat er gegenüber allen einzel-nen Erwerbern gleichgerichtete Verpflichtungen. Gegenüber jedem einzelnen ist er zur Herstellung des gesamten Gemeinschaftseigentums verpflichtet. In Bezug auf die Abnahme bedeutet dies, dass ohne eine abweichende Vereinbarung das Sonder- und das Gemeinschaftseigentum zur Abnahme fertigzustellen ist. Nur wenn im Bauträgervertrag Teilabnahmen des Sonder- und des Gemeinschafts-eigentums vereinbart sind, können getrennte Abnahmen erfolgen. Die Vereinbarung von Teilabnahmen sind grundsätzlich auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig (BGH, Urt. v. 30.06.1983, Az: VII ZR 185/81). Aus dem Erwerbsvertrag folgt, dass der Erwerber ein Recht hat, die Abnahme zu erklären und zwar nicht nur hinsichtlich des Sonder- sondern auch hinsichtlich des Ge-meinschaftseigentums (BGH, Urt. v. 21.02.1985, Az: VII ZR 72/84). Der Bauträger kann ihm gegenüber nicht einwenden, andere Erwerber hätten das Gemeinschaftseigentum bereits abgenommen (BGH, Urt. v. 04.06.1981, Az: VII ZR 9/80). Auch hat die Erklärung der Abnahme des Sondereigentums keine Auswirkungen auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Für die zu errichtende Wohnungseigentumsanlage bedeutet dies, dass nicht nur einzelne Abnahme des Sondereigentums stattzufinden haben, sondern auch jeder Erwerber das Gemeinschaftseigentum abzunehmen hat. Eine Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums besteht nicht.
Ist die Wohnungseigentumsanlage bereits errichtet, sind aber noch nicht alle Wohnungen verkauft, so sind auch die Verträge mit Nachzüglern Bauträgerverträge. Auch diese Erwerber haben das Gemein-schaftseigentum abzunehmen. Die Erklärung der anderen Wohnungseigentümer bindet die Nachzügler nicht.
Die Erklärung der Abnahme durch alle Erwerber bedeutet nicht nur ein sehr aufwändiges Abnahme-procedere hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums sondern gegebenenfalls auch Streitereien mit einzelnen Erwerbern, welche – aus welchen Gründen auch immer – die Abnahme nicht erklären wollen. Durch die Nachzügler treten die Abnahmewirkungen unter Umständen erst sehr viel später ein, als dies der Bauträger wünscht. In vielen Bauträgerverträgen finden sich daher Klauseln, in denen die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen Bevollmächtigten erfolgen soll. Dabei ist der vertragliche Zwang, eine bestimmte Person unwiderruflich zu bevollmächtigen ebenso wie der vollständige Ausschluss, die Abnahme selbst zu erklären, unwirksam (OLG Koblenz, Urt. v. 17.10.2002, Az: 5 U 263/02). Ist eine Person bevollmächtigt, darf es nicht der vom Bauträger eingesetzte Verwalter (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.1979, Az: 13 U 7/79) oder ein vom Bauträger im Vertrag bezeichneter und bezahlter Sachverständiger (LG München, Urt. v. 02.07.2008, Az: 18 O 21458/07; OLG München, 15.12.2008, 9 U 4149/08) sein, weil diese nicht neutral sind. Bevollmächtigte müssen darüber hinaus ausreichende Sachkunde besitzen, was von Verwaltern nicht erwartet werden kann. Dabei ist zu be-rücksichtigen, dass die Frage ob das Werk vertragsgemäß hergestellt ist nicht nur eine technische ist, sondern auch eine Ermittlung der geschuldeten Leistung beinhaltet, die regelmäßig juristische Kennt-nisse erfordert, welche nicht bei allen Sachverständigen vorhanden sind. Viele Abnahmeklauseln sind aus diesen Gründen unwirksam. Die Abnahme ist dann nach den gesetzlichen Regelungen vorzu-nehmen, d.h. jeder Erwerber hat auch das Gemeinschaftseigentum einzelnen abzunehmen. Geht der Bauträger fehlerhaft davon aus, dass der im Vertrag bezeichneter Verwalter oder Sachverständige die Abnahme wirksam erklärt hat, so treffen ihn die Folgen der fehlerhaften vertraglichen Gestaltung. Eine Abnahme hat dann noch nicht stattgefunden, so dass der Vertrag sich noch im Erfüllungsstadium befindet. Die Abnahmewirkungen sind nicht eingetreten. Insbesondere beginnt damit nicht die Verjäh-rungsfrist für Mängel.
Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom 12. April 2007 (Az: VII ZR 236/05 und VII ZR 50/06) entschieden, dass die Eigentümergemeinschaft individuelle Mängelrechte hinsichtlich des Gemein-schaftseigentums aus den Erwerbsverträgen auf sich überleiten und einheitlich geltend machen kann. Die hierzu erforderliche Beschlusskompetenz leitet der Bundesgerichtshof aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Wohnungseigentumsgesetz her. Daneben kann sie gemeinschaftsbezogene Rechte geltend machen. Gemeinschaftsbezogen sind diejenigen Mängelrechte, bei denen eine Koordination mit den Rechten der anderen stattfinden muss. Dies ist beispielsweise bei der Minderung und bei Schadensersatzan-sprüchen der Fall, die auf die Reparatur der baulichen Anlage abzielen. Die bauliche Anlage kann nur einmal repariert werden. Deshalb hat nicht jeder Eigentümer einen auf die vollen Mangelbeseitigungs-kosten gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern dieser steht nur allen gemeinschaftlich zu. Auch die Minderung ist gemeinschaftsbezogen, denn die Entscheidung ob statt Reparatur des Gemein-schaftseigentums der Kaufpreis herabgesetzt wird, können nur alle gemeinschaftlich treffen. Mängel-ansprüche entstehen aber erst durch die Abnahme. Der Bundesgerichtshof hat bereits in seinem Urteil vom 21. Februar 1985 (Az: VII ZR 72/84) bestimmt, dass die Abnahme ausschließlich das Verhältnis zwischen Bauträger und Erwerber betrifft und jeder Erwerber einen individuellen Anspruch auf Herstel-lung auch des Gemeinschaftseigentums erwirbt. Daraus folgt, dass die Gemeinschaft keine Be-schlusskompetenz für die Erklärung der Abnahme hat (BGH Urteil vom 12.05.2016, AZ: VII ZR 171/15).
Für den Bauträger ist deshalb im Hinblick auf die Sicherstellung des Eintritts der Abnahmewirkungen eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch sämtliche Erwerber trotz des hohen Aufwands zu empfehlen. Die technische Beratung der Erwerber bei der Abnahmeerklärung kann durch einen Sach-verständigen erfolgen, welcher durch die erste Versammlung (der werdenden Eigentümergemein-schaft) nach Übergabe des Sondereigentums bestimmt wird. Dieser Sachverständige kann dann im Vorfeld ein entsprechendes Gutachten über die technischen Voraussetzungen der Abnahme erstatten. Danach können alle Eigentümer gebeten werden, die Abnahme zu erklären. Die Erfahrung zeigt, dass eine getrennte Abnahme des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums wegen der vorgenannten Situation problematisch sein kann. Wohnen die Erwerber bereits in ihren Wohnungen, sind sie weniger geneigt die Abnahme zu erklären. Es tritt dann immer wieder der Streit über die Wesentlichkeit vorhandener Mängel auf und die Abnahme verzögert sich – und damit auch die Verjährung der Mängelansprüche. Dies bedeutet für den Bauträger die Notwendigkeit einer darauf abgestimmten Liquiditätsplanung und ggf. Zwischenfinanzierung.
Abschließend soll nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die vorgenannten Hinwei-se lediglich allgemeiner Natur sind und die Beratung zum bzw. den Entwurf eines Bauträgervertrags durch einen Rechtsanwalt oder Notars keinesfalls ersetzen. Sie sind lediglich als allgemeine Einfüh-rung zu verstehen.
© Rechtsanwalt Dirk Meißner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht