Rechtsanwalt Dirk Meißner, Berlin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Miet- und Wohnungseigentums-recht
Die nachfolgenden Erörterungen gliedern sich aufgrund der Vielzahl der Änderungen in vier Teile. Im ersten Teil wird zunächst allgemein in das Thema eingeführt sowie wie Änderungen des allgemeinen Werkvertragsrechts vorgestellt. Teil II setzt sich dann mit den Regelungen des neuen Vertragstyps Bauvertrag auseinander, während Teil III sich mit dem ebenfalls neuen Vertragstyp Verbraucherbauvertrag beschäftigt. Den Schluss bildet Teil IV mit den neuen Vertragstypen Architektenvertrag und Bauträgervertrag.
I. Allgemeines
Bisher existierte in Deutschland kein gesetzliches Bauvertragsrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelte in den §§ 631 ff. lediglich das Werkvertragsrecht, welches aber keine speziellen Regelungen für Bauverträge, Architektenverträge oder Bauträgerverträge enthielt. Mit der Reform werden nun erstmals neue gesetzliche Vertragstypen eingeführt, nämlich der Bauvertrag, der Verbraucherbauvertrag, der Architektenvertrag und der Bauträgervertrag. In dem Untertitel 1, Kapitel 1 findet sich jetzt das allgemeine Werkvertragsrecht (§§ 631 – 650 BGB), welches teilweise geändert wird, und neu in Kapitel 2 das Bauvertragsrecht (§§ 650a – 650h BGB) sowie ebenfalls neu in Kapitel 3 das Verbraucherbauvertragsrecht (§§ 650i – 650n BGB). Im Untertitel 2 folgt dann das Architektenvertragsrecht (§§ 650p – 650t BGB) und in einzzéem Untertitel 3 das Bauträgervertragsrecht (§§ 650 u – 650v BGB).
Die Regelungen des Allgemeinen Werkvertragsrechts haben als gesetzliches Leitbild eher den Handwerker im Blick, der an bei dem Besteller vorhandenen Materialien in relativ kurzer Zeit und mit überschaubaren Aufwand sein Werk erbringt, welches vom Besteller auch leicht überprüft werden kann. Auf den komplexen, arbeitsteiligen und teilweise über mehrere Jahre andauernden Prozess des heutigen Bauens mit einer Vielzahl von Gewerken und unterschiedlichen beteiligten Personen sowie das vollständige Beschaffen der Baumaterialien durch den Unternehmer waren diese Vorschriften nicht ausgerichtet.
Auf das Fehlen von vertraglichen Regeln zu Bauverträgen hatte die Baupraxis bereits seit langem dadurch reagiert, dass mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (früher: Verdingungsordnung für Bauleistungen) in deren Teil B (VOB/B) Regelungen geschaffen wurden, die den o.g. Besonderheiten im Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer Rechnung tragen sollten. Diese Regelungen, an denen insbesondere die öffentliche Hand wegen der Vielzahl der ihr obliegenden Bauaufgaben ein besonderes Interesse hat, werden durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss erstellt, dem Vertreter der Auftraggeber (Ministerien von Bund und Ländern, der Gemeinden) und Vertreter der Auftragnehmer (Zentralverbände des Handwerks, der Immobilienwirtschaft, des Baugewerbes und der Bauindustrie) angehören. Diese Regeln haben aber keinen Gesetzescharakter, sondern werden als allgemeine Vertragsbedingungen in die jeweiligen Bauverträge einbezogen. Sie enthalten keinerlei Verbraucherschutz.
Anlass der Reform war nicht nur, das Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln, sondern darüber hinaus einerseits den Verbraucherschutz im Baurecht zu stärken und zwei Entscheidungen des EuGH aus dem Kaufrecht im Gesetz zu berücksichtigen, welche insbesondere für Lieferung von Baumaterialien weitreichende Konsequenzen haben. Der EUGH hatte am 16. Mai 2011 (Urteile Az: C 65/09 und C 87/09) entschieden, dass der Verkäufer einer mangelhaften beweglichen Sache, die in andere eingebaut wurde, verpflichtet sein kann, die mangelhafte Sache auf seine Kosten auszubauen und durch eine neue zu ersetzen. In Deutschland trug bisher der Unternehmer das Risiko der Ein- und Ausbaukosten, da sein Baustofflieferant auf Grundlage des bisherigen Kaufrechts nicht zur Zahlung der Ein- und Ausbaukosten herangezogen werden konnte. Der Unternehmer konnte sich dem gegenüber der Haftung gegenüber dem Besteller nicht entziehen, da er im Rahmen seines Werkvertrags auf Erfolg haftete. Diese Situation hat die Gesetzesänderung in § 439 Abs. 3 BGB berücksichtigt. Nunmehr ist der Verkäufer verpflichtet, die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Sache zu tragen.
II. Die Änderungen im allgemeinen Werkvertragsrecht
Inhaltlich geändert werden die Vorschriften zur Abnahme (§ 640 BGB), zu den Abschlagsregelungen (§ 632a BGB) und zur Kündigung (§ 648 und § 648a) BGB
1. Abnahme § 640 BGB
Bisher war der Besteller zur Erklärung der Abnahme verpflichtet, wenn das Werk abnahmefähig, also im Wesentlichen ohne Mängel hergestellt war. Nur dann war die Schlusszahlung des Werklohns fällig. Wollte der Unternehmer seinen Werklohn durchsetzen, obwohl die Abnahme nicht erklärt war, hatte er zu beweisen, dass es ohne wesentliche Mängel hergestellt war. Gerade in Bausachen ist aber Mangelfreiheit nur mit Sachverständigengutachten und mit großen zeitlichem Aufwand zu beweisen.
Das neue Recht ersetzt die „Abnahmefähigkeit“ durch die „Fertigstellung des Werks“. Fertigstellung bedeutet nicht Mangelfreiheit, sondern die Abarbeitung des vertraglich geschuldeten Leistungsumfangs, selbst wenn dann noch Mängel vorliegen. Der Schutz des Bestellers hinsichtlich der Fälligkeit des Werklohns erfolgt durch das Zurückbehaltungsrecht des § 641 Abs. 3 BGB. Er kann den doppelten Wert der Mangelbeseitigungskosten vom Werklohn einbehalten, bis die Mängel beseitigt sind.
Ist das Werk fertiggestellt (d.h. der vertragliche Leistungsumfang abgearbeitet) und wird dem Besteller eine „angemessene Frist“ zur Abnahme gesetzt (hier sollten zwei Wochen eingehalten werden – entsprechend § 12 VOB/B), auf die er nicht reagiert, so wird die Abnahme nach dem neuen § 640 Abs. 2 BGB fingiert. Der Besteller kann diese Folge nur verhindern, indem er die Abnahme innerhalb der Frist „unter Angabe von Mängeln“ verweigert bzw. ablehnt. Bemerkenswert ist, dass an dieser Stelle die Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen aufgegeben wird. Es kann also die Rüge von unwesentlicher Mängel ausreichen, um die fiktive Abnahme und damit die Fälligkeit des Werklohns zu verhindern.
2. Abschlagszahlungen § 632a BGB
Die Regelungen über Abschlagszahlungen orientierten sich bei der Höhe der Abschlagszahlungen am Wertzuwachs, den der Besteller durch die Arbeiten erlangte. Hier stellte die Frage, wie der Wertzuwachs ermittelt wird. Gerade in Gebieten mit starker Marktnachfrage für Immobilien bestimmt sich der Wert nur zum geringen Teil durch den Gebäudewert, der bei Baumaßnahmen ausschließlich erhöht wird. Die Entwicklung der Grundstückspreise wird aber wesentlich mehr von Angebot und Nachfrage bestimmt, wie deutlich in den Immobilienmärkten von Europas Hauptstädten spürbar ist. Die Neuregelung stellt deshalb auf „den Wert der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistung“ ab. Damit ist jetzt klargestellt, dass sich der Wert an der vertraglichen Vereinbarung und dem Vertragspreis orientiert.
Bisher konnte der Besteller Abschlagszahlungen für nicht vertragsgemäße (mit wesentlichen Mängeln behaftete) Werke verweigern. Dies ist nach der Neuregelung nicht mehr möglich. Der Schutz des Bestellers erfolgt durch den Verweis auf das Zurückbehaltungsrecht des § 641 Abs. 3 BGB, aufgrund dessen der Besteller das Doppelte der Mangelbeseitigungskosten einbehalten darf.
3. Kündigung §648 BGB
Am freien Kündigungsrecht des Bestellers ändert sich nichts. Die bisherige Regelung in § 649 BGB findet sich jetzt in § 648 BGB. Neu geregelt wurde jedoch das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (jetzt § 648a BGB). Hier ist besonders, dass die Regelung für beide Vertragsparteien gleichlaufend geregelt ist. In der VOB/B gibt es demgegenüber unterschiedliche Regelungen für Besteller und Unternehmer. Ein Katalog von Kündigungstatbeständen wird nicht vorgegeben. Allerdings dürfte die Insolvenz einer der Parteien als Kündigungsgrund ausscheiden, denn die Begründung zum Gesetzentwurf nimmt diesen Fall ausdrücklich aus. Ein Kündigungsrecht soll aber dann vorliegen, wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmers eingestellt ist.
Die Neuregelung verweist für die Kündigung auf § 314 BGB. Anknüpfungspunkt im Werkvertragsrecht ist in der Regel eine Pflichtverletzung. Insoweit bestimmt § 314 Abs. 2 BGB die Notwendigkeit der Setzung einer angemessenen Frist zur Abhilfe bzw. eine Abmahnung. Dauert die Pflichtverletzung trotz Fristsetzung fort, kann nach § 314 Abs. 3 BGB nur binnen angemessener Frist gekündigt werden. Angemessen dürfte insoweit wiederum eine Frist von zwei Wochen sein. Die betroffene Vertragspartei muss also schnell reagieren und kann nicht – wie bisher – auch später noch wirksam kündigen.
Nach dem neuen § 648a Abs. 2 BGB sind dann auch Teilkündigungen ausdrücklich möglich. Sie müssen sich nur auf einen „abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks beziehen.“ Das können im Vertrag bezeichnete Lose oder Titel oder auch räumlich abgeschlossene Teile der Leistung sein.
Die bisher aus dem Kooperationsgebot gefolgerte Feststellung des Leistungsstands nach Kündigung findet sich nun ebenfalls in der gesetzlichen Neuregelung in § 648a Abs. 4 BGB. Beide Parteien können von der jeweils anderen die Mitwirkung an der Leistungsfeststellung zu verlangen. Wird nicht mitgewirkt oder bleibt eine Partei fern, hat sie im Streitfall die Beweislast für den Leistungsstand. Häufig wird eine gemeinsame Feststellung nicht durchgeführt. Im Streitfall könnte damit eine Beweislastumkehr herbeigeführt werden. Insoweit sollten entsprechende Forderungen auf gemeinsame Feststellung nicht mehr ignoriert werden.
Die Neuregelung begrenzt in § 648a Abs. 5 BGB den Werklohn des Unternehmers nach Kündigung auf den Anteil der erbrachten Leistungen. Hat der Besteller die Kündigung durch Pflichtverletzung verursacht, erleidet der Unternehmer einen Schaden (auf die Restleistungen kalkulierter Gewinnanteil und nicht baustellenbezogene Gemeinkosten). Diesen soll er in einem solchen Fall nun nicht mehr als Werklohnanspruch, sondern als Schadensersatz geltend machen (§ 648a Abs. 6 BGB).